In diesem „kleinen“ Gründungs-Guide zeigen wir Ihnen wodurch sich einzelne Ordinationsformen unterscheiden und was Sie vor allem bei der Gründung einer Gruppenpraxis berücksichtigen sollten. Des Weiteren erfahren Sie, welche Konsequenzen sich bezüglich der Haftung für Sie und etwaige GründungspartnerInnen ergeben.
Vorab ein Überblick bestehender Ordinationsformen in Österreich:
- Einzelpraxis
- Gruppenpraxis
- Gruppenpraxis als Offene Erwerbsgesellschaft
- Gruppenpraxis als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
- Praxisgemeinschaft bzw. Ordinationsgemeinschaft
- Gemeinschaftspraxis als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR)
- Ambulatorium
Unterschied Einzelpraxis und Gruppenpraxis
Einzelpraxis
Die klassische Ordinationsform ist die Einzelpraxis, in der ein Arzt/ eine Ärztin medizinische Leistungen erbringt. Der Betreiber/die Betreiberin der Ordination kann einen Vertrag mit einer oder mehreren Krankenkassen schließen, muss jedoch nicht. Gibt es keinen solchen Vertrag, handelt es sich um einen Wahlarzt/Wahlärztin oder einen Privatarzt/eine Privatärztin.
Gruppenpraxis
Mehrere selbstständige Ärzte und Ärztinnen können eine Gruppenpraxis gründen. Wie eine Einzelpraxis kann auch die Gruppenpraxis einen Vertrag mit einer oder mehreren Krankenkassen haben oder ohne Vertrag als Wahlarztpraxis/Privatarztpraxis arbeiten.
Gruppenpraxis allgemein
Grundlagen
Gruppenpraxen waren standespolitisch immer als Gegenstück zu den Spitalsambulanzen oder den Instituten gedacht. Seit dem 1.1.2004 besteht die gesamtvertragliche Möglichkeit, Gruppenpraxen zu gründen. Nach der Ärztegesetznovelle im Jahr 2010 wurde der Gesamtvertrag mit der ÖGK entsprechend adaptiert, um die Ärzte GmbH ergänzt und per 1.1.2011 neu abgeschlossen. Bis Sommer 2011 wurden in Wien bereits über 60 Gruppenpraxen gegründet, was die Gruppenpraxis in Wien zum absoluten Erfolgsmodell gemacht hat.
Definition
Unter Gruppenpraxen versteht man prinzipiell Zusammenschlüsse von Ärzten und Ärztinnen im Rahmen von Offenen Erwerbsgesellschaften (Ärzte OG`s) oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung (Ärzte GmbH`s).
Vorteile der Gruppenpraxis
Die Gruppenpraxis unterscheidet sich von einem losen Zusammenschluss mehrerer Ärzte und Ärztinnen in einer Gemeinschaftspraxis bzw. Ordinationsgemeinschaft dadurch, dass die Gruppenpraxis selbst als Rechtsperson Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Bei Gemeinschaftspraxen/Ordinationsgemeinschaften treten diese nach außen bspw. gegenüber dem Patienten/der Patientin nicht in Erscheinung, sondern nur immer der jeweilige Arzt/Ärztin als physische Rechtsperson.
Mit anderen Worten bedeutet die eigene Rechtspersönlichkeit der Gruppenpraxis, dass sie Räume anmieten, Personal beschäftigen, Verbrauchsmaterial oder Geräte ankaufen kann.
Gründung von Gruppenpraxen
In der Realität und auch im Gruppenpraxengesamtvertrag werden drei verschiedene Formen der Invertragnahme einer Gruppenpraxis geregelt:
- Zusammenschluss von zwei oder mehreren VertragsärztInnen mit Einzelverträgen
- Ausschreibung einer neuen Kassenplanstelle für eine Gruppenpraxis
- Umwandlung einer bestehenden Einzelpraxis in eine Gruppenpraxis mit einem Arzt/Ärztin, der bis dato keinen Einzelvertrag hat.
Gruppenpraxengesamtvertrag
Genaue Erläuterungen zu allen Formen finden Sie im Gruppenpraxengesamtvertrag in den Paragraphen 5-8.
Es muss jedoch beachtet werden, dass der Gruppenpraxengesamtvertrag in Wien ausschließlich Gruppenpraxen zwischen fachgleichen ÄrztInnen (z.B.: zwei AllgemeinmedizinerInnen, zwei InternistInnen, zwei RadiologInnen, etc.) regelt. Für Gruppenpraxen zwischen verschiedenen Fachrichtungen wurde in den bisherigen Verhandlungen kein dringender Bedarf gesehen. Bereits jetzt ordinieren oft mehrere Ärzte mit Kassenverträgen ohne Gründung einer Gruppenpraxis in räumlich enger Nähe (beispielsweise in Ärztehäusern) zueinander.
Gruppenpraxen Rechtsformen
Gruppenpraxis als Offene Erwerbsgesellschaft (OG)
Haftung
Eine OG ist eine rechtsfähige Personengesellschaft, die rechtsfähig ist. Die GesellschafterInnen einer OG sind gesamthandschaftlich verbunden und haften unbeschränkt gegenüber GesellschaftsgläubigerInnen. Das bedeutet, dass GesellschafterInnen einer OG mit ihrem gesamten Privatvermögen unbeschränkt für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften. Diese Haftung der einzelnen GesellschafterInnen ist nach außen hin gegenüber GesellschaftsgläubigerInnen auch nicht beschränkbar.
GläubigerInnen der OG können sich mit einem Anspruch gegen die Gesellschaft auch unmittelbar und primär gegen eine(n) GesellschafterIn wenden, ohne ihre Forderung zuvor bei der Gesellschaft geltend gemacht zu haben. Auch ein neu eintretende(r) GesellschafterIn haftet für sämtliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft, mögen diese auch vor seinem/ihrem Eintritt in die OG begründet worden sein.
Haftungbeschränkung
Im Innenverhältnis zwischen einzelnen Gesellschaftern besteht jedoch die Möglichkeit, eine gegenseitige Haftungsbeschränkung zu vereinbaren oder sich im Falle einer Inanspruchnahme durch einen Gesellschaftsgläubiger bei dem Gesellschafter zu regressieren, der den Schaden verschuldet hat.
Einlagen und Beteiligung
Die Beteiligung der GesellschafterInnen an der Gesellschaft richtet sich – sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vereinbart ist – nach dem Verhältnis des Wertes der vereinbarten Einlagen, zu deren Leistung sich die GesellschafterInnen im Gesellschaftsvertrag verpflichtet haben. Die Leistung der Einlage kann je nach Vereinbarung als Bareinlage, Sacheinlage oder auch nur in Form von Mitarbeit im Rahmen der Gesellschaft erfolgen.
Mindesteinlage
Da die Gesellschafter ohnedies unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen für Verbindlichkeiten der OG haften, ist die Aufbringung eines Mindestkapitals – wie dies etwa bei Kapitalgesellschaften der Fall ist – nicht vorgesehen.
Buchführungspflicht
Eine Gruppenpraxen-OG ist weder buchführungspflichtig noch zur Erstellung und Veröffentlichung eines Jahresabschlusses verpflichtet. Sie muss lediglich eine Einnahmen/Ausgaben Rechnung führen. Die Rechtsform einer OG wird häufig deshalb gewählt, weil der Aufwand für die Organisation bei der Gründung und im laufenden Betrieb geringer ist als bei einer Kapitalgesellschaft (GmbH) – da wie gesagt eine Gruppenpraxen-OG nicht rechnungslegungspflichtig ist.
Besteuerung
Zudem weist sie als Personengesellschaft Besonderheiten bei der Besteuerung auf. Bei einer OG wird der auf Ebene der Gesellschaft ermittelte Gewinn den einzelnen Gesellschaftern zugewiesen und anschließend direkt bei den Gesellschaftern versteuert. Dies kann für den einzelnen Gesellschafter aus steuerlicher Sicht von Vorteil sein.
Bei einem Zusammenschluss zu einer Gruppenpraxen-OG handeln die GesellschafterInnen (ÄrztInnen) fortan nicht mehr im eigenen Namen als freiberuflich bzw. selbstständig tätige Ärzte. Stattdessen tritt die Gesellschaft – an der die ÄrztInnen beteiligt sind – als eigenes Rechtssubjekt im eigenen Namen nach außen hin auf und schließt mit den Patienten Behandlungsverträge ab.
Gruppenpraxis als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
Haftung
Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ist eine Kapitalgesellschaft mit Rechtspersönlichkeit, an der die Gesellschafter im Verhältnis der von ihnen übernommenen Stammeinlagen beteiligt sind. Die Summe der Stammeinlagen ergibt das Stammkapital der GmbH. Dieses muss mindestens EUR 35.000,- betragen und ist von den GesellschafterInnen bei Gründung der GmbH durch Leistung ihrer Stammeinlage in Form einer Sach-, Bar- oder gemischten Einlage aufzubringen.
Haftungsbeschränkung
Die Rechtsform einer GmbH wird häufig deshalb gewählt, weil zwischen dem Vermögen der Gesellschaft und jenem ihrer GesellschafterInnen getrennt wird und letztere grundsätzlich nur bis zur Höhe der von ihnen übernommenen Stammeinlage haften. Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet somit auch nur diese selbst mit ihrem eigenen Vermögen und nicht die GesellschafterInnen mit ihrem Privatvermögen. Dadurch wird das persönliche wirtschaftliche Risiko eines Gesellschafters beschränkt.
Buchführungspflicht
Eine GmbH ist buchführungspflichtig und zur Erstellung und Veröffentlichung eines Jahresabschlusses verpflichtet.
Bei einem Zusammenschluss zu einer Gruppenpraxen-GmbH handeln die GesellschafterInnen (Ärztinnen/Ärzte) fortan nicht mehr im eigenen Namen als freiberuflich bzw. selbstständig tätige Ärzte/Ärztinnen. Stattdessen tritt die Gesellschaft – an der die ÄrztInnen beteiligt sind – als eigenes Rechtssubjekt im eigenen Namen nach außen hin auf und schließt mit den Patienten Behandlungsverträge ab.
Praxisgemeinschaft bzw. Ordinationsgemeinschaft
Definition
Gemeinschaftspraxen (auch oft als Ordinationsgemeinschaften bezeichnet) sind lose Zusammenschlüsse mehrerer freiberuflich tätiger Ärzte und Ärztinnen in einer Ordination. Sie nützen lediglich gemeinsam die Räumlichkeiten.
Praxisgemeinschaft vs. Gruppenpraxis
Praxisgemeinschaften unterscheiden sich von Gruppenpraxen vorwiegend dadurch, dass die jeweilige Ärztin/der jeweilige Arzt als eigenständige Rechtsperson auftritt. Im Vordergrund steht bei solchen Regiegemeinschaften die Aufteilung der Kosten und/oder das Nutzen von Einkaufsvorteilen.
Vorteile Praxisgemeinschaft
Es tun sich meist KollegInnen zusammen, die ein gemeinsames geschäftliches Interesse haben und sich gut verstehen. Das Spektrum reicht von gleichberechtigten MedizinerInnen, die eine Art Ärztezentrum gründen und die Kosten zu gleichen Teilen übernehmen, bis hin zu ÄrztInnen, bei denen ein Kollege einem anderen einen freien Raum in der Praxis zur Verfügung stellt und dafür Nutzungsentgelt kassiert. Neben den geteilten Kosten kann man Einkaufsvorteile erkämpfen und gemeinsam abgeschlossene Versicherungen billiger verhandeln. Und das alles, ohne – wie in der Gemeinschaftspraxis – eine Art berufliche Ehe schließen zu müssen. Das Einsparpotenzial durch die gemeinsame Nutzung von Räumen, Geräten und die Verteilung der Personalkosten ist nicht unerheblich. Auch für PatientInnen ist die Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen unter einem Dach nur von Vorteil. Sie finden unter einem Dach ein vergrößertes Angebot und ersparen sich Wege. Dazu kommt der in vielen Patientenbefragungen geäußerte subjektive Eindruck, dass der Hausarzt in ein Netzwerk eingebunden ist und dadurch leistungsfähiger ist.
Nutzungsvereinbarung
Wie grundsätzlich jede geschäftliche Kooperation erfordert auch diese Art der Zusammenarbeit Spielregeln. Die Definition der Nutzungszeiten, die Bezahlung von Investitionen und Reparaturen, Reinigungskosten sowie Aufteilung der Personalkosten sollten unbedingt in einer Nutzungsvereinbarung schriftlich geregelt werden. Es darf auch nicht auf eine klare Regelung von Kündigung und Ausstieg aus der Kooperation vergessen werden. Gemeinsame Wege können sich schließlich auch wieder teilen.
Gemeinschaftspraxis als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR)
Definition
Die GesbR ist eine Gesellschaft, an der sich zwei oder mehrere natürliche Personen oder Gesellschaften beteiligen, indem sie ihre Arbeitskraft oder Vermögensgegenstände zum gemeinsamen Nutzen einbringen. In der Praxis häufige Anwendungsbereiche sind Arbeitsgemeinschaften (ARGE, z.B. zur Abwicklung größerer Bauprojekte), Bietergemeinschaften, Joint Ventures, aber auch Gemeinschaftspraxen.
Haftung
Die Gesellschaft besitzt keine Rechtspersönlichkeit. Rechtsträger sind alleine die Gesellschafter. Die GesbR kann nicht klagen und geklagt werden und ist auch nicht im Grundbuch oder Firmenbuch eingetragen. Die GesellschafterInnen haften persönlich, unbeschränkt, solidarisch und primär, d. h. der Gläubiger/die Gläubigerin kann sofort gegen eine(n) der GesellschafterInnen vorgehen.
Mindesteinlage
Im Gegensatz zu einer Kapitalgesellschaft (GmbH, AG) ist kein Stammkapital erforderlich. Es muss also von den Gesellschaftern anlässlich der Gründung kein Bargeld aufgebracht werden. So genügt es etwa, dass die GesellschafterInnen ihre Arbeitskraft einbringen.
Ambulatorium
Definition
Neben den Ambulanzen der gemeinnützigen Spitäler gibt es auch selbstständige Ambulatorien. Sie sind eine Kombination aus Arztpraxis und Krankenhaus. Geführt werden sie entweder von Sozialversicherungsträgern, Städten, Gemeinden oder von privaten Eigentümern. Rund 90 Prozent der selbstständigen Ambulatorien werden von FachärztInnen geleitet, die übrigen von AllgemeinmedizinerInnen.
Rechtlich gesehen sind selbstständige Ambulatorien Spitäler und können als solche auch ÄrztInnen anstellen. Anders als Spitalsambulanzen sind sie jedoch nicht dazu verpflichtet, Rund-um-die-Uhr- und Notfallversorgung zu erbringen. Selbstständige Ambulatorien sind zum Beispiel Röntgeninstitute oder Zahnambulatorien – sie können Kassenverträge haben, müssen jedoch nicht.
Weitere Informationen über selbständige Ambulatorien in Österreich (inklusive Liste) finden Sie auf der Website des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz.
Beratung
Sind Sie gerade dabei eine Gruppenpraxis zu gründen oder wollen Sie erste Informationen zur Gründung einholen? Lassen Sie sich von unseren ÄrzteberaterInnen unverbindlich über Ihre versicherungstechnischen Möglichkeiten aufklären und räumen Sie schon im Vorfeld mögliche Stolpersteine aus dem Weg. Ärzteservice begleitet bereits seit mehr als 30 Jahren Ärztinnen und Ärzte bei unterschiedlichsten Phasen ihrer Karriere, wie auch im privaten Umfeld. Profitieren Sie von unserer Erfahrung und vermeiden Sie entspannt einige Fehler, die bei der Gründung häufig passieren.
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